„Wir sitzen doch alle im gleichen Boot“ – Erfahrungsbericht einer Tankstellen-Betreiberin im Lockdown
Im Juni letzten Jahres haben wir mit Daniela Bachmann über ihre Erfahrungen mit dem ersten Lockdown aufgrund der Corona Pandemie gesprochen. Im thüringischen Schweina betreibt sie eine AVIA Tankstelle. Jetzt berichtet Daniela Bachmann, wie es ihr in den letzten Monaten ergangen ist und was sie sich für die Zukunft wünscht.
Frau Bachmann, wie hat sich das Geschäft in Ihrem Tankstellenshop über den Herbst und jetzt im zweiten Lockdown entwickelt?
Nach dem ersten Lockdown war mein Geschäft weitgehend stabil: Der Sommer war durch die Öffnungen der Geschäfte und Gastronomie fast normal. In unserem ersten Gespräch hatte ich aber vermutet, dass sich mein Shop-Geschäft verschlechtern würde. Diese Vermutung ist mit dem zweiten Lockdown auch eingetroffen.
Laufen Produkte weiterhin schlechter oder besser?
Bis auf den Bereich Tabakwaren und Telefonkarten (e-va) verzeichnen wir in fast allen Bereichen Umsatzrückgänge . Man muss aber dazu auch sagen, dass sich der Lockdown über die Monate Januar und Februar erstreckt hat – da ist eh immer etwas weniger los. Jetzt ab dem Monat März merke ich, dass es langsam wieder Bergauf geht.
Was erwarten Sie, wie sich das Geschäft in den kommenden Monaten weiterentwickelt?
Wir hoffen natürlich, dass bei uns bald alles wieder geöffnet werden kann. Aber mit dem hohen Inzidenzwert, der zur Zeit bei uns herrscht, wird das wohl leider so schnell nichts werden. Wir stellen uns also auf weitere Monate mit Umsatzrückgängen ein. Wir werden aber natürlich weiterhin versuchen unser Bistrogeschäft und die Autowäschen anzukurbeln und alles daran setzen, dass der Umsatz nicht ganz so stark zurückgeht wie in den Wintermonaten.
Wie reagieren Ihre Kunden? Haben diese sich mittlerweile an die Situation gewöhnt?
Ich weiß gar nicht so richtig, was ich dazu sagen soll. Die Situation war bei unserem letzten Gespräch schon nicht gerade die beste – damals waren die Kunden schon gereizter und wir hatten mit Beleidigungen zu kämpfen. Diese Situation hat sich verschärft. Ich würde sagen, dass von all unseren Kunden am Tag nur dreißig Prozent wissen, was ein respektvoller Umgang bedeutet.
Mit welchen Konflikten haben Sie zu kämpfen?
Geht irgendwas nicht schnell genug oder weisen wir die Mundschutzpflicht oder die AHA- Regeln (Abstand halten, Hygiene beachten und im Alltag Maske tragen) hin, riskieren wir sofort eine Eskalation. Manche Kunden sind so ungehalten und beleidigend, dass wir eigentlich den Spaß an der Arbeit verlieren müssten. Ich ziehe den Hut vor meinen Angestellten, die trotz allem immer noch jeden Tag mit Freude und Spaß zur Arbeit kommen. Unser persönliches Highlight ist, wenn ein Kunde mit einem freundlichen Lächeln und einen ‚Guten Tag‘ zu uns kommt, denn das gehört leider mittlerweile nicht mehr zum Alltag.
Was würden Sie sich wünschen, um die Situation zu verbessern?
Die Kunden sollten nicht vergessen, dass wir alle im selben Boot sitzen und wir alle einfach nur unser Bestes geben und das Beste aus der Situation machen (sollten). Das würde uns allen helfen in diesen herausfordernden Zeiten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Interview Juni 2020
Welche Auswirkungen hatte die Coronakrise bislang auf Ihren Shop?
Daniela Bachmann: Im Tabaksortiment sowie bei electronic value haben wir sehr an Umsatz zu gelegt und beim Bistrogeschäft doch recht stark abgenommen. Die anderen Sortimente sind nahezu gleichgeblieben. Den Fokus im Shopgeschäft legen wir aktuell auf Tabakwaren und Autowäschen.
Mit welchen Maßnahmen schützen Sie Ihre Kunden und Ihre Mitarbeiter vor der Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus?
Daniela Bachmann: Wir haben einen Spuckschutz an der Kasse und es ist unser oberstes Gebot, regelmäßig die Hände zu waschen und Flächen, Kasse, Türgriffe und so weiter ebenfalls regelmäßig zu desinfizieren. Seit der Einführung der Mundschutzpflicht tragen meine Mitarbeiter freiwillig einen Mundschutz, um auch eine Vorbildfunktion für den Kunden zu haben.
Des Weiteren haben wir Abstandsbänder auf dem Fußboden geklebt. Wir und auch die Kunden achten darauf, dass sich auch nicht zu viele Kunden auf einmal im Shop befinden. Auch für Kunden steht Desinfektionsmittel bereit und die PIN kann am Terminal auch mit einem Wattestäbchen eingetippt werden, dann kommen sie mit dem Terminal nicht in Berührung.
Wie reagieren Ihre Kunden? Verständnisvoll?
Daniela Bachmann: Vor der Mundschutzpflicht waren die Kunden entspannt und hatten viel Geduld, mehr als derCoronakrise. Aber mit Einführung der Mundschutzpflicht sind die Kunden doch sehr gereizt und wir müssen uns einiges an Beleidigungen anhören, wenn sie auf den fehlenden Mundschutz hingewiesen werden. Vielen Kunden ist auch nicht bewusst, dass sie an einer Tankstelle auch Mundschutzpflicht haben. Viele Aussagen der Kunden waren: „Wieso brauche ich hier einen Mundschutz? Ich gehe hier doch nicht Einkaufen.“ oder „Wieso brauch ich hier einen Mundschutz? Hier gibt es doch keine Lebensmittel“.
Wir haben es bei schönem Wetter auch erlebt, dass sich die Kunden getroffen haben um Auto zu waschen und danach doch in größeren Gruppen draußen standen. Dies haben wir dann natürlich auch untersagt und sie vom Gelände geschickt.
Sehen Sie Chancen auf zusätzliche Umsätze und/oder neue Kunden, die Sie in dieser Krise erfolgreich ergriffen haben?
Daniela Bachmann: Wir haben festgestellt, dass einige Kunden jetzt wieder vermehrt zu uns kommen, um Tabakwaren oder schnell mal ein Getränk bei uns kaufen, die sonst in einen Supermarkt gegangen sind. Derzeit geht das bei uns an der Tankstelle deutlich schneller. Bei uns benötigt man keinen Einkaufswagen und muss auch nicht warten, falls keiner frei ist.
Haben Sie Maßnahmen ergriffen, um Kosten einzusparen?
Daniela Bachmann: Ich habe bisher keine Maßnahmen getroffen um Kosten zu sparen. Ich habe vor Corona nach einem neuen Mitarbeiter gesucht und habe einfach die Suche ausgesetzt und ersetzte die Schichten selber.
Was erwarten Sie, wie sich das Geschäft in den kommenden Monaten weiterentwickelt?
Daniela Bachmann: Ich hoffe, dass mein Geschäft so weiter läuft wie bisher. Aber ich vermute, dass es nicht so bleiben wird. Wir sind ein Kurort mit drei Kurkliniken und viel Gastronomie. Die Menschen haben durch Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit weniger Geld und fahren grundsätzlich weniger. Somit rechne ich damit, dass sich mein Geschäft verschlechtern wird. Wir merken es jetzt schon bei Solo-Selbstständigen, wo die Hilfen vom Staat noch nicht geflossen sind. Diese überlegen schon, ob sie sich eine Schachtel Zigaretten oder einen Kaffee kaufen.
Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit Lekkerland in dieser Zeit?
Daniela Bachmann: Die Zusammenarbeit mit Lekkerland läuft nach wie vor sehr gut. Der Fahrer hat bei uns die Möglichkeit, über eine als Lagerraum genutzte Werkstatt die Lieferung anzuliefern. Dort liegt auch die Kundenkarte von Lekkerland, um die Lieferung kontaktlos abzuwickeln. Sollten mal Kleinigkeiten zu klären sein, kann ich nach wie vor alles gut über die Hotline oder meinen Ansprechpartner im Außendienst klären.
Danke für das Gespräch!