Jürgen Hentschel betreibt mit seinen vier Mitarbeiterinnen seit drei Jahren einen Kiosk in Essen-Steele. In einem ersten Interview im Mai 2020 berichteter er uns, wie sich die Coronakrise und der erste Lockdown auf sein Geschäft ausgewirkte, seine Kunden reagierten und wie er damals die weitere Entwicklung einschätzte. Acht Monate und viel Erlebnisse und Erfahrungen weiter, suchten wir erneut das Gespräch mit ihm. Die Rahmendingungen sind heute ähnlich wie im Mai letzten Jahren – oder doch nicht?

Herr Hentschel, wie ist es Ihnen seit unserem Gespräch in den letzten Monaten ergangen?

Jürgen Hentschel: Das letzte Jahr war hart. Unser Kiosk liegt am Kaiser-Otto-Platz in der Steeler Fußgängerzone. An sich hätten wir in 2020 - wie jedes Jahr -  viele Veranstaltungen gehabt. Aber alles musste, verständlicherweise, aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden. Die Marktschreier, der Blumenmarkt, Musikfest mit Oldtimer-Rallye, der Handwerkermarkt und auch der längste Weihnachtsmarkt in NRW, der sonst von Anfang November bis in die erste Januarwoche hinein stattfindet, mit Bühnenprogramm und Livemusik. Das sind Events, die immer eine Menge Menschen nach Essen-Steele gelockt haben. Viele Besucher holten sich bei den Veranstaltungen die Getränke und sonstiges bei mir an der Bude. Das ist im letzten Jahr alles weggefallen und damit auch entsprechend die Umsätze.

Sie hatten im März 2020 die Soforthilfe des Landes NRW beantragt. Wie waren Ihre Erfahrungen?

Ich würde sagen gemischt. Die Beantragung und Zahlung liefen im Frühjahr letzten Jahres recht problemlos und unkompliziert. Nachdem freitags die Website freigeschaltet worden war, habe ich mich direkt am Samstag mit dem Antrag befasst. Das waren ein paar Fragen zu mir und meinem Unternehmen, die ich beantworten musste. Ich habe den Antrag Samstag noch abgeschickt und bereits am Dienstag eine Bewilligung erhalten. Drei Tage später war das Geld auf meinem Konto.

Wir haben allerdings vor kurzem die Nachricht erhalten, dass wir gut die Hälfte der an uns gezahlten Summe zurückzahlen müssen. Ich habe im November meinen Steuerberater beauftragt das Rückmeldefomular für die NRW-Soforthilfe zu bearbeiten und zur Bezirksregierung zurück zu senden. Die sahen da wohl in dem Antrag keinen so hohen betrieblichen Liquiditätsengpass. Für mich wurden für die gesamten drei Monate von März bis Mai „einmalig“ ein fiktiver Unternehmerlohn zu Grunde gelegt.
Die Hilfen für November und Dezember konnte ich laut meinem Steuerbüro auch nicht beantragen, da meine Umsätze wohl trotz alledem immer noch zu hoch für eine Hilfeanspruch wären.

Aber trotzdem bin ich froh, Hilfe erhalten zu haben. Auch konnten wir als Kiosk und Zeitschriftenhandel immer öffnen. Andere durften das nicht.

Welche Waren gingen bei Ihnen seit dem Ausbruch der Pandemie gut über die Theke?

Getränke haben wir viel weniger verkauft, weil die Laufkundschaft durch die ausgefallenen Events fehlte. Und dann auch noch das Alkoholverbot in der Öffentlichkeit war auch nicht gerade geschäftsfördernd. Seit der Schließung der Schulen und Kitas sind auch die Umsätze bei Süßwaren und Eis rückläufig. Die Tabakwaren-Umsätze waren stabil. Tageszeitungen, Zeitschriften und Romane werden weiterhin sehr gut verkauft.

Wie beurteilen Sie die aktuelle wirtschaftliche Lage Ihres Kiosks? Blicken Sie optimistisch in die Zukunft?

Der Januar ist sehr, sehr schlecht angelaufen. Es ist kaum jemand in der Innenstadt unterwegs, hinzu kommt das schlechte Wetter. Ich beobachte auch, dass die Stimmung bei den Menschen kippt. Alle hoffen auf ein baldiges Ende der Corona bedingten Beschränkungen. Die Fußgängerzone hier lebt vom Handel und vor allem von der Gastronomie, die ja nun mittlerweile drei Monate im kompletten Lockdown ist. Und ein Ende ist nicht absehbar.
Angesichts der geringen Kundenzahlen würden wir derzeit sonntags eigentlich schließen. Aber: Konkurrenz belebt das Geschäft. Hier am Platz hat im November, mitten im Lockdown, eine neue Trinkhalle eröffnet. Wir möchten ungern Stammkunden verlieren, weil wir am Sonntag nicht für sie da sind. Da kommt bei mir der sportliche Ehrgeiz durch.

Herr Hentschel, vielen Dank für das Gespräch. Bleiben Sie gesund und weiterhin viel Erfolg und auch Optimismus in dieser herausfordernden Zeit.

 

 

Interview April 2020

Es wird wärmer, die Sonne scheint – normalerweise würden Kunden an Stehtischen vor dem Kiosk jetzt ein Kaltgetränk zu sich nehmen. Doch in diesem Frühling ist durch den Ausbruch des Coronavirus alles anders, die Innenstadt in Essen-Steele wie leer gefegt. Kioskbetreiber Jürgen Hentschel musste seine Stehtische in den Keller bringen und „NRW-Soforthilfe 2020“ beantragen.

Herr Hentschel, Sie betreiben Ihren Kiosk seit gut zwei Jahren. Wie liefen die Geschäfte bisher?

Jürgen Hentschel: Sehr gut. Mein nicht begehbarer Klappenkiosk liegt in der Essener Fußgängerzone am Kaiser-Otto-Platz. Hier finden das ganze Jahr über viele Veranstaltungen statt, zum Beispiel Musikfeste, der Weihnachtsmarkt, oder jetzt um die Zeit erst die Marktschreier und dann die Blumenbörse. Viele Besucher holen sich dann bei mir am Kiosk Getränke, die günstiger sind, als am Getränkestand. Das fällt in diesem Jahr leider alles weg.

Kamen die Umsatzeinbrüche von heute auf morgen?

Jürgen Hentschel: Seit der Kontaktsperre merke ich, dass die Umsätze immer weiter zurückgehen. Zwar kaufen die Leute vermehrt Tabak und Zigaretten und morgens immer noch ihre Zeitung, doch wirklichen Gewinn mache ich natürlich mit dem Verkauf anderer Produkte. Wie schlimm es ist, werde ich Ende April sehen. In der ersten Märzhälfte hatten noch die Cafés und Eisdielen in der Innenstadt geöffnet. So war dann auch noch mein Kiosk gut besucht. Für den April sehe ich das aber nicht. Für mich und meinen Kiosk sind das finanziell gesehen sehr harte Zeiten.

Sie hatten sich deshalb entschieden, Soforthilfe vom Land NRW zu beantragen. Wie hat das funktioniert?

Jürgen Hentschel: Das war überraschend unkompliziert. Nachdem freitags die Website freigeschaltet worden war, habe ich mich direkt am Samstag mit dem Antrag befasst. Das waren ein paar Fragen zu mir und meinem Unternehmen, die ich beantworten musste. Ich habe den Antrag Samstag noch abgeschickt und bereits am Dienstag eine Bewilligung erhalten. Drei Tage später war das Geld auf meinem Konto. Das war wirklich unkompliziert und schnell.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um die Soforthilfe beantragen zu können?

Jürgen Hentschel: Für NRW gilt: Man muss entweder ein Kleinunternehmen, Angehöriger der Freien Berufe, Gründer oder Solo-Selbstständiger sein, um finanzielle Hilfen beantragen zu können. Die Soforthilfe gibt es in Höhe von 9.000 Euro bei bis zu fünf Beschäftigten oder 15.000 Euro bei bis zu zehn Beschäftigte. Eine weitere Voraussetzung ist, dass das Unternehmen vor der Krise wirtschaftlich gesund war und nun sich entweder die Umsätze gegenüber dem Vorjahresmonat mehr als halbiert haben oder die vorhandenen Mittel nicht reichen, um die kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens zu erfüllen, wie für die Miete oder Kredite für Betriebsräume, oder der Betrieb auf behördliche Anordnung geschlossen wurde.

(Hier finden Sie eine Übersicht finanzielle Hilfen der Bundesländer.)

Werden Ihnen die finanziellen Hilfen reichen?

Jürgen Hentschel: Das hängt davon ab, wie lange die Krise andauern wird und ob es eventuell noch weitere finanzielle Hilfen geben wird. Um Kosten zu sparen, habe ich meine Öffnungszeiten reduziert und auch den Kiosk über die Osterfeiertage geschlossen. Meine Mitarbeiter haben dafür Verständnis, obwohl es für sie natürlich auch nicht einfach ist. Ich bleibe aber zuversichtlich: In der vergangenen Woche habe ich noch mit meinem Lekkerland Ansprechpartner die Eistruhe neu bestückt. Wenn das Wetter so gut bleibt, bin ich für die Eishungrigen der Fels in der Brandung – als einer der wenigen, die überhaupt noch geöffnet haben dürfen.

Weitere Information für Nordrhein-Westfalen:

Wegen mutmaßlich betrügerischer Internetseiten wurden sowohl die Antragstellung als auch die Soforthilfe-Auszahlungen für Selbstständige und Unternehmen vom Wirtschaftsministerium in Nordrhein-Westfalen vorübergehend gestoppt. Die falsche Website ist nur an der Adresse zu erkennen – die Website ist sonst identisch. Ab Freitag, 17. April 2020, soll das Antragsformular erneut veröffentlicht  und Anträge bearbeitet werden. Den Link werden wir an dieser Stelle veröffentlichen: https://soforthilfe-corona.nrw.de Weiterführende Informationen finden Sie hier: https://www.wirtschaft.nrw/coronavirus-informationen-ansprechpartner

 

Hinweis: Die auf unseren bereitgestellten Informationen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit. Aufgrund der vielfältigen und dynamischen Entwicklungen bei diesem Thema, bitten wir betroffene Kunden, sich über rechtsverbindliche Angebote und Informationen selbst bei den angegebenen Stellen zu informieren.

 

Fotos: Jürgen Hentschel

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